Eine kurze Zusammenfassung des Vortrags vom 29.6.1999:
In diesem Vortrag wurden zwei Krebstherapien beschrieben, bei denen Neutronen zum Einsatz kommen:
Zu Beginn ein paar Grundlagen:
Krebs bzw. Tumore sind körpereigene Zellen, deren Wachstum und Vermehrung nicht mehr gesteuert werden kann und sich infolgedessen unkontrolliert vermehren. Da prinzipiell sich Krebszellen von gesunden Zellen nicht unterscheiden, ist die Bekämpfung dieser Krankheit relativ schwierig. Ziel einer Therapie ist es, den Tumor irgendwie zu zerstören. Ist der Tumor gut erreichbar, so wird er in der Regel operativ entfernt. Ist jedoch der Tumor schlecht erreichbar oder eine Operation aus anderen Gründen schlecht möglich, so versucht man, diesen durch Bestrahlung zu zerstören. Üblicherweise macht man dies mit hochenergetischer Röntgenstrahlung, die jedoch den Nachteil hat, mit zunehmender Tiefe das Gewebe weniger stark zu schädigen. Für tief im inneren ligende Tumore (z.B. Hirntumore) sucht man nach Möglichkeiten der Bestrahlung, mit der das tieferliegende Gewebe stärker geschädigt wird. Bislang verwendet man dafür Protonen oder seit neustem auch Schwerionen, die genau diese Eigenschaft haben. Sowohl für oberflächennahe als auch für tieferliegende Tumore bieten Neutronen alternative Therapien, die möglichweise wesentlich besser sind. Beide hier vorgestellten Therapien sind jedoch immer noch Gegenstand der Forschung. Ob diese Therapien also wirklich das leisten, was man sich von ihnen erhofft, wird sich erst in Zukunft herausstellen.
Bei der Bestrahlung von Tumoren mit schnellen (hochenergetischen) Neutronen
( im englischen: fast neutron therapie, kurz FNT) nutzt man Neutronen als
Alternative oder Ergänzung für Röntgenstrahlung zum abtöten
von Tumorzellen. Neutronen haben als Teilchenstrahlung eine wesentlich
höhere Zerstörungswirkung als Röntgenstrahlung, da sie ihre
Energie konzetrierter durch Stöße mit Teilchen in der Zelle
abgeben. Dadurch kann sich eine geschädigte Zelle kaum noch regenerieren,
die Tumorzelle stirbt dann ab. Desweiteren zeigt sich, daß einige
Tumore sich mit Neutronenstrahlung beser zerstören lassen als mit
Röntgenstrahlung. Vor allem bei Tumoren, die gegen Röntgenstrahlung
resistent sind, können Neutronen eine wesentlich bessere Wirkung erreichen.
Außerdem bilden sich Tumore nach einer Neutronenbestrahlung wesentlich
schneller zurück als nach einer Röntgenbestrahlung, was den Einsatz
bei akuten Beschwerden begünstigt.
Neutronenbestrahlung hat jedoch auch Nachteile. Da ein Neutronenstrahl
nicht sehr präzise gesteuert werden kann, muß man sehr vorsichtig
bestrahlen, da sonst die Gefahr der Schädigung von gesundem Gewebe
besteht. Außerdem haben Neutronen an der Oberfäche die höchste
Wirkung, weswegen tieferliegende Tumore (z.B. Hirntumore oder Darmtumore)
nicht bestrahlt werden können.
Entsprechend wird eine Strahlentherapie mit Neutronen bei oberflächennahen
Tumoren eingesetzt, so zum Beispiel bei Hautkrebs, Brustkrebs oder Kehlkopftumoren.
Gerade bei kehlkopftumoren zeigt sich ein Vorteil gegenüber der operativen
Entfernung: Der Patient behält seine Sprachfähigkeit. Die Bestrahlung
kann also auch helfen, einen Tumor schonender zu entfernen und somit dem
Patienten mehr Lebensqualität zu erhalten. Überhaupt ist eine
Strahlentherapie, und das gilt auch für die Bestrahlung mit Protonen
oder Schwerionen, für den Patienten angenehmer, da die Bestrahlung
schmerzfrei ist.
Bestrahlungen mit Neutronen werden in Deutschland in Essen und in Garching
durchgeführt.
Links zur FNT:
Auch bei dieser Therapie benutzt man Neutronen zu Zerstörung von
Krebszellen, allerdings nimmt man in diesem Falle langsame (niederenergetische)
Neutronen, um damit einen vorher in der Krebszelle eingelagerten Stoff
zur Spaltung zu bringen. Die Neutronen selbst sind es also gar nicht mehr,
die die Krebszelle schädigen, sie dienen vielmehr nur noch als Zündfunke.
Als spaltbares Material nimmt man 10B (deshalb auch BNCT: Borean
Neutron Capture Therapie), was sich in 7Li in 4He
spaltet. Diese Spaltung ist für die Krebszelle eine gewaltige Explosion,
so stark, daß wenige Spaltungen eine sichere Zerstörung der
Krebszelle garantieren. Die Strahlenbelastung durch die Neutronen an sich
ist sehr gering, weshalb in Zellen, in denen kein Bor vorhanden ist, praktisch
keine Schäden verursacht werden. Schafft man es also, das Bor nur
in den Tumorzellen anzureichern, so ist eine sehr gezielte Zerstörung
der Krebszellen möglich, ohne daß dabei andere Zellen in Mitleideschaft
gezogen würden.
Bor in den Krebszellen anzureichern ist jedoch nicht ganz einfach, da Bor
dies von selbst nicht macht. Man muß also das Bor an einen Botenstoff
binden und mit diesem zusammen in der Krebszelle angereichert werden. Für
Hirntumore gibt es einen derartigen Stoff: BSH. Dieser Stoff kann wegen
der Blut-Hirn-Schranke, einem Mechanismus, der verhindert, daß für
das Gehirn schädliche Stoffe aus der Blutbahn in die Gehirnzellen
übergeht, nicht in gesunde Zellen eindringen. Krebszellen dagegen
verlieren diesen Mechanismus und können deshalb Bor aufnehmen. Da
die Entfernung von Hirntumoren auf operativem Weg mit vielen Schwierigkeiten
verbunden ist, sind Strahlentherapien hier eine willkommene Alternative.
BNCT hat den Vorteil, das gesunde Gewebe besser zu schonen, als dies bei
anderen Therapien der Fall ist. Allerdings ist BNCT immer noch Forschungsgebiet,
weshalb eine breite klinische Anwendung noch einige Zeit auf sich warten
lassen wird.
Links zu BNCT:
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